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Gesundheitskommunikation in Zeiten der COVID-19-Pandemie

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Gesundheitskommunikation in Spezialzeiten: Beiträge zur Jahrestagung der Fachgruppe Gesundheitskommunikation 2021

Doreen Reifegerste, Nanette Ströbele-Benschop, Markus Schäfer,
Jens Vogelgesang

Die Zeit der COVID-19-Pandemie war eine Spezialzeit, die von einem großen Wunsch nach einer Rückkehr zur „Normalzeit“ (d. h. gewohnten Abläufen) geprägt war. Dieser Wunsch ist uns auch im Zusammenhang mit anderen Gesundheitsthemen nicht unbekannt. Entsprechend lautete der Tagungstitel der 6. Jahrestagung der DGPuK-Fachgruppe Gesundheitskommunikation „NDR-Podcast, AHA-Regel & #WirBleibenZuhause: Gesundheits-kommunikation in Zeiten der Pandemie - und danach...“. Sie fand vom 17. bis 19. November 2021 als Onlinetagung an der Universität Hohenheim statt. Neben einer thematischen Einführung geben wir hier einen kurzen Überblick über die elf Beiträge, die uns einerseits Erkenntnisse über diese Spezialzeit vermitteln, andererseits aber auch Themen der Gesundheitskommunikation aufgreifen, die auch in Normalzeiten speziell sind.

Welche Form der Unterstützung bieten Mental Health Influencer:innen auf Instagram an? Ergebnisse einer Inhaltsanalyse

Isabell Koinig

Während der COVID-19-Pandemie wurden vermehrt psychische Erkrankungen gemeldet, die besonders Jugendliche und junge Erwachsene betrafen. Folglich suchten diese verstärkt Unterstützung in den sozialen Medien, wo sie auf Posts von sogenannten  Mental Health Influencer:innen (MHIs) trafen, die ihren Follower:innen Unterstützung (social support) bei der Bewältigung von mentalen Problemen anbieten. Der vorliegende Beitrag untersucht, wie MHIs Inhalte zu psychischen Erkrankungen auf Instagram präsentieren und welche Form von Unterstützung sie ihren Follower:innen anbieten. Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine quantitative Inhaltsanalyse ausgewählter Instagram-Posts durchgeführt. Insgesamt wurden Beiträge von 40 Mental Health Influencer:innen ausgewählt. Die Inhaltsanalyse einer Zufallsstichprobe (n= 268) zeigte, dass die meisten MHIs auf Bilder und nicht auf Videos setzen, wenn sie mentale Gesundheit thematisieren. Der Großteil der Posts enthielt Textpassagen, und wurde von MHIs dazu verwendet, um ihre Follower:innen entweder zu motivieren oder ihnen Informationen zu liefern. Die Ergebnisse zeigen, dass MHIs besonders auf Textelemente setzen um ihre Follower:innen zu unterstützen, obwohl Instagram eigentlich eine bildbasierte Plattform darstellt.

Wenn Gesundheitsexpert:innen journalistisches Handeln einordnen: Subjektive Medientheorien im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“

Markus Schäfer

Der NDR-Audio-Podcast „Das Coronavirus-Update“ war in der COVID-19-Pandemie ein besonders erfolgreiches Format des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das das Ziel verfolgte, mit Hilfe von Gesundheitsexpert:innen wissenschaftliche Erkenntnisse einem breiten Laienpublikum verständlich zu vermitteln. Der vorliegende Beitrag widmet sich auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse der Transkripte von 113 Podcast-Folgen subjektiven Medientheorien im Podcast und fragt, inwieweit im Rahmen des Formats Vorstellungen zu a) Medieninhalten, deren b) Entstehungsbedingungen und c) Wirkungen vermittelt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass subjektive Medientheorien im Podcast regelmäßig formuliert wurden, wobei häufig ein tendenziell negatives Medienbild gezeichnet und ein starker Einfluss der Medieninhalte auf die öffentliche Meinung und das politische Handeln angenommen wurde.

Using Comics to Destigmatize Burn-Out and Depression: An Experimental Investigation

Alexander Röhm, Cosima Nellen, Michélle Möhring, Matthias R. Hastall

Comics bieten ein vielversprechendes, aber bislang kaum genutztes Potenzial für die Kommunikation von Gesundheitsinformationen. Über die Wirkung von Comics bei der Aufklärung über psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout ist wenig bekannt. Depressionen werden von Laien oft als Burnout bezeichnet, was zu einer geringeren Stigmatisierung der Betroffenen, aber auch zu einer Verharmlosung depressiver Symptome führen kann. In der vorliegenden Studie (N = 1.201) wurde untersucht, wie das Geschlecht des Fallbeispiels und zusätzliche Sachinformationen in Comics die Stigmatisierung der Rezipierenden gegenüber Betroffenen beeinflussen und welche Rolle kognitive Prozesse dabei spielen. Die Ergebnisse bestätigen die destigmatisierende Wirkung des Burnout-Labels im Vergleich zu einem Depressions-Label. Die beobachteten Effekte sind jedoch von geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen und in gewissem Maße von kognitiven Prozessen bei der Bildung stigmatisierender Einstellungen abhängig. Implikationen für die strategische Anti-Stigma- und Gesund-heitskommunikation werden diskutiert.

Sick Style als digitaler Medientrend im Kontext von (Ent-)Stigmatisierung psychischer Erkrankungen – Eine qualitative Interviewstudie

Celine Dorrani, Annabelle Betz, Aaron Philipp, Carolin Redenz, Lara Fé Waßmann, Freya Sukalla

Soziale Medien bieten Menschen mit psychischen Erkrankungen die Möglichkeit, das öffentliche Bild ihrer Krankheit zu gestalten und stereotypen Darstellungen entgegenzuwirken. In dieser Studie untersuchen wir, wie Instagram-Nutzende sich Sick-Style-Posts, d. h. die ästhetisierte und inszenierte Darstellung psychischer Krank- heiten, aneignen, um herauszufinden, ob und welche Art von Sick-Style zur Entstigmatisierung beitragen oder möglicherweise zu einer noch stärkeren Stigmatisierung führen könnte. Auf der Grundlage von 18 qualitativen Interviews wurden vier Arten der Sick-Style-Aneignung identifiziert: Befürworter:innen, Gegner:innen, distanzierte und überforderte Nutzer:innen. Die Ergebnisse zeigen Entstigmatisierungspotential für verschiedene Typen der Sick-Style-Aneignung sowie für verschiedene Formen des Sick Styles, weisen aber in einigen Fällen auch auf die Gefahr einer stärkeren Stigmatisierung hin.

Informationsnormen und ihr Einfluss auf das Informationshandeln im Verlauf der COVID-19 Pandemie: Eine Längsschnittanalyse

Robin Leuppert & Elena Link

Informationsnormen stellen einen zentralen Einflussfaktor auf die Suche und Vermeidung von Informationen dar. Eine kombinierte Betrachtung von such- und vermeidungsbezogenen Informationsnormen als verschiedene Einflüsse auf Informationshandeln ist bislang jedoch nicht erfolgt. Zudem wurde kaum erforscht, inwieweit unterschiedliche Normtypen (deskriptive und injunktive Norm) und Bezugsgruppen bei der Betrachtung von Normeffekten auf Informationshandeln notwendig sind. Im Rahmen einer Längsschnittbefragung (N = 493) mit vier Wellen werden dazu mittels konfirmatorischer Faktoranalysen drei Normkonzepte verglichen. Dann wird der Einfluss verschiedener Informationsnormen auf Informationssuche und -vermeidung zu COVID-19 anhand von hybriden Within-Between Modellen betrachtet. Die Ergebnisse zeigen, dass keines der geprüften Normkonzepte zur Differenzierung von COVID-19 Informationsnormen geeignet ist. Bei der Betrachtung der Normeffekte auf Single Item Ebene zeigt sich, dass Suchnormen die Suche und Vermeidungsnormen die Vermeidung von Informationen stärker beeinflussen. Das persönliche Umfeld ist als Bezugsgruppe einflussreicher als die Gesellschaft. Deskriptive und injunktive Normen sind (unabhängig von der Bezugsgruppe) ähnlich bedeutsam. Auf der Within-Ebene lassen sich vielfältige Effekte feststellen, wobei die Normeffekte auf der Between-Ebene stärker sind. Die Studie biete somit Ansatzpunkte für ein detailliertes Verständnis von Normeffekten auf Informationshandeln.

Chronische Erkrankungen in audiovisuellen und sozialen Medien. Eine qualitative Medieninhaltsanalyse der Repräsentation lang andauernder Krankheiten

Christine Linke1, Ruth Kasdorf1,2 & Maria Wiering2

Die Repräsentation chronischer Erkrankungen in audiovisuellen und sozialen Medien ist ein bis dato wenig systematisch erfasstes Themenfeld der Gesundheitskommunikation. Der Beitrag stellt eine Studie vor, die diesen Aspekt mittels einer qualitativen Medieninhaltsanalyse empirisch exploriert. Es wurde ein Sample aus den Bereichen Film/TV/Streaming, Soziale Medien und Videospiele anhand von Spezifika, Relevanz, Verfügbarkeit sowie Aktualität ausgewählt und analysiert. Die untersuchten Medieninhalte weisen kaum stereotype Darstellungen, Stigmatisierung oder Tabuisierung chronischer Erkrankungen auf. Es wurden künstlerisch und gestalterisch innovative Formen der Darstellung erfasst. Deutlich wird, besonders im Bereich klassisch-audiovisueller Formate, dass die Beziehung Betroffener zu Angehörigen beziehungsweise zu Unterstützer:innen mit im Fokus der Narrationen steht. Die explorativen Ergebnisse bieten einen ersten Zugang zum Thema, dem weitere Studien folgen sollten.

Effekte visueller Responsibility Frames im Kontext von Demenzen - Eine Experimentalstudie

Mara Berlekamp, Doreen Reifegerste, Linn Julia Temmann, Dominik Daube

Mediale Responsibility Frames können beeinflussen, wie Menschen über Gesundheitsthemen wie Demenzen denken. Obwohl sich die bisherige Forschung auf die Untersuchung textueller Frames konzentriert, können auch visuelle Inhalte Frames enthalten, die die Wirkung medialer Inhalte auf Rezipierende beeinflussen können. Visuelle Frames können somit hilfreich zur effektiven Gestaltung medialer Gesundheitsbotschaften sein. Die vorliegende Studie untersucht die Wirkung visueller Responsibility Frames auf verschiedenen Verantwortungsebenen im Kontext von Demenzen auf Verantwortungsattributionen und Verhaltensintentionen Rezipierender. Ein repräsentatives Online-Experiment (N = 1,059) zeigt, dass das reine Vorhandensein eines visuellen Responsibility Frames, unabhängig von der Ebene, auf der Verantwortung zugeschrieben wird, die Zuschreibung von Verantwortung bei Rezipierenden erhöht. Es zeigen sich keine signifikanten Effekte der visuellen Frames auf Verhaltensintentionen.

Anschlusskommunikation in Gesundheitskrisen: Die interpersonale Kommunikation zur Medienberichterstattung über die COVID-19 Pandemie

Anna Wagner, Doreen Reifegerste

In Gesundheitskrisen wie der COVID-19-Pandemie stellt die massenmediale Berichterstattung eine zentrale Informationsquelle dar. Sie wird dabei nicht nur individuell genutzt und verarbeitet, sondern auch gemeinsam rezipiert, im sozialen Umfeld besprochen oder in Sozialen Medien diskutiert. Wie sich die interpersonale Kommunikation über pandemiebezogene Berichterstattung gestaltet, ist jedoch selten beforscht worden. Der Beitrag widmet sich daher der Anschlusskommunikation zur Medienberichterstattung in der COVID-19-Pandemie. In einer qualitativen Interviewstudie mit 22 Teilnehmenden fragen wir nach (a) Kommunikationspartner:innen, (b) den kommunikativen Rollen innerhalb der Anschlusskommunikation, (c) den Funktionen der Anschlusskommunikation sowie (d) nach potentiellen Veränderungen im Zeitverlauf. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anschluss-kommunikation (a) insbesondere mit Familie und Freund:innen im direkten sozialen Umfeld stattfindet, aber auch zur Entstehung neuer Beziehungen beiträgt. Sie erfolgt (b) vor allem auf Augenhöhe, sodass die Rolle der Austauscher:innen dominiert, wobei manche Personen als Multiplikator:innen fungieren. Die Anschluss-kommunikation erfüllt (c) die Funktion des Teilens und Erhaltens von Informationen, der Informationsvalidierung und gemeinsamen Wahrheitssuche sowie dem Coping mit negativen Emotionen. Veränderungen im Zeitverlauf (d) sind vor allem mit Blick auf das (Themen-)Interesse und die Kommunikationsrollen zu beobachten.

Gesundheitsjournalistische Qualität der massenmedialen Berichterstattung über Homöopathie – eine quantitative Inhaltsanalyse

Eva Graf, Paula Stehr

Die Homöopathie zählt zu den bekanntesten und verbreitetsten komplementären Therapiemethoden in Deutschland. In starkem Kontrast zu den hohen Nutzendenzahlen steht der fehlende Wirksamkeitsbeleg für diese Therapieform. Massenmedien stellen eine häufige Informationsquelle für Gesundheitsfragen in der deutschen Bevölkerung dar, woraus ein hoher Qualitätsanspruch an den Medizin- und Gesundheitsjournalismus resultiert. Ziel des vorliegenden Beitrags ist, die gesundheitsjournalistische Qualität von Print- und Online-Artikeln (N = 176) über Homöopathie in ausgewählten deutschen Medienangeboten zu untersuchen. Die Auswertung der quantitativen Inhaltsanalyse zeigt, dass die Stärken der Homöopathie-Berichterstattung vor allem in der sachlichen und verständlichen Darstellung liegen. Schwächen zeigen sich hinsichtlich des Hinweises auf die ausschließliche Placebo-Wirkung von Homöopathie und der mangelnden Darlegung der Evidenzlage. Die Homöopathie wird insgesamt relativ neutral dargestellt. Problematisch ist die Verwendung irreführender Begrifflichkeiten wie „alternativ“ oder „natürlich“ zur Beschreibung der Homöopathie.

Kompetent und informierter?! Der Zusammenhang von (digitaler) Gesundheitskompetenz und Gesundheitsinformationshandeln

Paula Memenga1, Jacqueline Posselt2, Elena Link1 & Eva Baumann1

 

Gesundheitsinformationen bilden die Grundlage für einen selbstbestimmten und kompetenten Umgang mit der eigenen Gesundheit. Die Nutzung von gesundheitsbezogenen Informationskanälen als Teil des individuellen Informationshandelns erfordert wiederum entsprechende (digitale) Gesundheitskompetenz. Obwohl beide Konstrukte verwandt scheinen, fehlt es bisher an einer theoriebasierten sowie empirischen Bestimmung ihrer Beziehung. Die vorliegende Studie exploriert deshalb, wie (digitale) Gesundheitskompetenz mit Gesundheitsinformationshandeln in Form der Nutzung verschiedener gesundheitsbezogener Informationskanäle zusammenhängt. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde eine nach Alter, Geschlecht, Bildung und Region stratifizierte Querschnittsbefragung der deutschen Bevölkerung (N = 1.000) durchgeführt, die im Juni 2020 über ein Online-Access-Panel erhoben wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit höherer wahrgenommener (digitaler) Gesundheitskompetenz tendenziell häufiger gesundheitsbezogene Informationskanäle nutzen. Die Erklärleistung der wahrgenommenen Kompetenzen war jedoch begrenzt. Der Beitrag diskutiert mögliche Ursachen, zu denen beispielsweise die Art der Messung zählt, und arbeitet Anschlussperspektiven der Forschung heraus.

#social support Der Einfluss von Responsibility Frames in sozialen Medien auf Verantwortungszuschreibungen zum Thema Depression

Sophia Schaller, Annemarie Wiedicke, Doreen Reifegerste, Linn Temmann

Die Untersuchung der Wirkung von Responsibility Frames in sozialen Medien zum Thema Depressionen ist von hoher Relevanz für die Kommunikationswissenschaft. Dies ergibt sich daraus, dass mediale Verantwortungs-zuschreibungen Folgen für die (Ent-)Stigmatisierung der psychischen Störung haben können. Der Beitrag untersucht die Wirkung dreier Responsibility Frames (individuell, soziales Netzwerk, kombiniert) in Instagram-Posts zu Depressionen auf die Verantwortungszuschreibungen der Rezipierenden und erweitert damit die bestehende Forschung. Das Online-Experiment (N = 1.015) zeigte erstens, dass in Inhalten sozialer Medien solche Responsibility Frames, die die Verantwortung sozialer Einflüsse (soziales Netzwerk) für Depressionen betonen, soziale Zuschreibungen am effektivsten stärken. Der individuelle Responsibility Frame intensivierte hingegen die Auffassung, dass Betroffene selbst verantwortlich sind am meisten. Entgegen bisherigen Erkenntnissen zu anderen Gesundheitsproblemen zeigte unser Experiment zweitens, dass eine Kombination beider Frames in Instagram-Posts die Verantwortungszuschreibungen zu sozialen Einflüssen nicht am effektivsten intensiviert und gleichzeitig die Zuschreibungen zum Individuum erhöht. Am Ende werden Implikationen für die (Ent-)Stigmatisierung von Depressionen durch Responsibility Frames sozialer Medien abgeleitet. So könnte man im Kontext sozialer Medien vor allem mit Frames des sozialen Netzwerks der Stigmatisierung von Depressionen entgegenwirken.