Jahrestagung der Fachgruppe Journalistik/Journalistikforschung der DGPUK 2019
Hier finden Sie alle Beiträge zur Jahrestagung der Fachgruppe Journalistik/Journalistikforschung der DGPUK 2019.
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Jonas Schützeneder, Klaus Meier, Nina Springer (Hrsg.)
Relevanz und Fülle der Journalismusforschung sind in den letzten Jahren international enorm gestiegen. Die Journalismusforschung hat sich aus dem Korsett „Kommunikatorforschung“ befreit, das ihr die allgemeine Kommunikationswissenschaft einst zugeschrieben hat: Mit neuem Selbstbewusstsein rückt sie einen ganzheitlichen Ansatz zur Erforschung und Analyse des Journalismus in der Gesellschaft in den Mittelpunkt. Sie entwickelt Theorien und Methoden weiter – und überdenkt ihr Verhältnis zum Journalismus. Genau das hat die Fachgruppe Journalistik/Journalismusforschung der DGPuK auf ihrer Jahrestagung im September 2019 in Eichstätt getan. Unter dem Titel „Neujustierung der Journalistik/Journalismusforschung in der digitalen Gesellschaft“ sind im Kontext der Tagung zwölf Beiträge entstanden, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven aufgreifen. Unter dem folgenden Link finden Sie die gebündelte Version aller zwölf Beiträge in einer gemeinsamen PDF-Datei.
Klaus Meier, Jonas Schützeneder und Nina Springer
Relevanz und Fülle der Journalismusforschung sind in den letzten Jahren international enorm gestiegen. Dies hat einerseits mit dem Wandel durch die Digitalisierung von Medien und Gesellschaft zu tun – und andererseits mit der damit verbundenen Transformation und dem Bedeutungszuwachs ihres Forschungsgegenstands. Die Journalismusforschung hat sich aus dem Korsett „Kommunikatorforschung“ befreit, das ihr die allgemeine Kommunikationswissenschaft einst zugeschrieben hat: Mit neuem Selbstbewusstsein rückt sie einen ganzheitlichen Ansatz zur Erforschung und Analyse des Journalismus in der Gesellschaft in den Mittelpunkt. Sie entwickelt Theorien und Methoden weiter – und überdenkt ihr Verhältnis zum Journalismus. Diese Entwicklungen werfen einen neuen Bedarf an Selbstreflexion auf. Genau das hat die Fachgruppe Journalistik/Journalismusforschung der DGPuK auf ihrer Jahrestagung im September 2019 in Eichstätt getan. Unter dem Titel „Neujustierung der Journalistik/Journalismusforschung in der digitalen Gesellschaft“ gab die Eichstätter Tagung auch den Anstoß, ein Selbstverständnispapier zu entwickeln. Dieser Beitrag diskutiert den größeren Kontext der Tagung und führt in die Proceedings ein, in denen zentrale Tagungsbeiträge veröffentlicht sind.
Andreas Hepp; Wiebke Loosen
Der Journalismus ist ebenso wie die Journalismusforschung mit den Trends einer tiefgreifenden Mediatisierung konfrontiert: die fortschreitende Differenzierung, Konnektivität und Omnipräsenz digitaler Medien sowie die Beschleunigung der Innovationszyklen bei der Technologieentwicklung und die mit digitalen Medien verbundene Datafizierung aller Lebensbereiche. Im Zuge dieser Entwicklungen hat die Journalismus-forschung in den letzten Jahrzehnten zunehmend ihr Sichtfeld erweitert, sich etwa im Hinblick auf die sie interessierenden Akteur:innen, Praktiken und Organisationstypen neu justiert und sich theoretisch sowie forschungspraktisch gegenüber anderen Disziplinen und Methoden geöffnet bzw. ist von diesen „entdeckt“ worden. Vor diesem Hintergrund und ausgehend von Beispielen aus unserer gemeinsamen Forschung argumentieren wir, dass eine Neujustierung der Journalismusforschung mit einer holistischen Perspektive verbunden sein sollte: in der Feldbeobachtung, der Forschungspraxis und bei der Theorieentwicklung.
Pamela Nölleke-Przybylski, Tanja Evers, Klaus-Dieter Altmeppen
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, den Status quo eines sich im Wandel befindlichen Journalismus über die beruflichen Anforderungen, die aktuell an (angehende) Journalist*innen gestellt werden, zu beschreiben. Dafür operationalisieren und systematisieren wir journalistische Praxis entlang eines Kompetenzmodells, das klassische und neue Kompetenzen integriert. Mittels einer standardisierten Inhaltsanalyse journalistischer Stellenausschreibungen (n=337) erfassen wir, inwieweit diese Kompetenzen den Journalismus aktuell kennzeichnen. Die Perspektive ist dabei dreigeteilt: Die Analyse fokussiert auf den Journalismus allgemein, sie betrachtet digitale, journalistische Arbeitsfelder und darüber hinaus auch jene Tätigkeitsbereiche, die das journalistische Arbeiten flankieren.
Die Ergebnisse belegen, dass das journalistische Handwerk den Journalismus über alle Mediengattungen und Anstellungsverhältnisse hinweg weiterhin definiert. Zugleich zeigt sich, wie sehr neue Kompetenzen im Bereich der Technik, digitalen Gestaltung und des unternehmerischen Denkens journalistisches Arbeiten im Bereich Online, Cross Media und Social Media definieren. Periphere Tätigkeiten verweisen auf Entgrenzungsprozesse im Journalismus und zeigen daher auf, inwieweit journalistische Kompetenzen auch nicht-journalistische Tätigkeiten prägen und welche nicht-journalistischen Tätigkeiten umgekehrt auch den Journalismus zunehmend kennzeichnen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse, dass periphere, insbesondere technische Stellenprofile zu jenen neuen Kompetenzfeldern neigen, die das journalistische Kompetenzportfolio erst seit einigen Jahren erweitern. Dennoch verfügen digitale Journalist*innen über ein eigenes Berufsprofil, das sich von jenem der peripher Tätigen unterscheidet. Der Beitrag diskutiert abschließend die Chancen eines inhaltsanalytischen Vorgehens für die Journalismusforschung.
Klaus-Dieter Altmeppen
Eine bedeutsame soziale Praktik ist Kritik, im Sinne emanzipatorischen Erkenntnisinteresses. Kritik ist ein handelndes Element der sozialen Praktiken von Wissenschaftler_innen, die sich in ihrem Handeln mit den Normen und ihrer Unterscheidung auseinandersetzen (Jaeggi & Wesche, 2009, S. 7). Auf dieser Grundlage folgt die Zusammenfassung einer Keynote die, als Möglichkeit interpretiert wurde, problematische Entwicklungen in der Journalistik/Journalismusforschung herauszugreifen. Leitend für diese Möglichkeit ist die Annahme, dass die Journalismusforschung/Journalistik sich als Gesellschaftswissenschaft verstehen sollte. Der vorliegende Beitrag diskutiert daher anhand von fünf zentralen Thesen Ausgangspunkt, Herausforderungen und Zukunft der Journalismusforschung.
Julia Lück
Karin Boczek
Der Artikel behandelt den spezifischen Bereich der Statistikausbildung innerhalb der Journalistiklehre an Universitäten und Hochschulen. Die Ausführungen basieren auf einer bei der Jahrestagung der DGPuK-Fachgruppe Journalistik/ Journalismusforschung vom 18.-20. September 2919 an der KU Eichstädt-Ingolstadt durchgeführten World-Café Diskussion zum Thema „Statistikausbildung in deutschen Journalismusstudiengängen.“ Ergänzend fließen Eindrücke und Ergebnisse eines Workshops mit Dozierenden aus Journalismusstudiengängen und zwei Datenjournalist*innen zum praktischen Austausch zum selben Thema ein. Dieser fand am 13. März 2020 an der Universität Mainz statt. Der Artikel gibt Einblicke in die bei diesen Gelegenheiten geführten Diskussionen. Darüber hinaus liefert er zusätzliche Kontextinformationen zum Forschungsstand als auch einen Überblick über den aktuellen Stand der Statistik- und empirische Methodenlehre in deutschen Journalismusstudiengängen. Schließlich werden Ansatzpunkte für die weitere Beschäftigung mit dem Thema sowie Vorschläge zum didaktischen Umgang vorgestellt.
Juliane A. Lischka
Dieser Beitrag verknüpft Theorien und Konzepte der Organisationsforschung und wendet sie zur Erklärung des Entstehens des redaktionellen Angebots von Nachrichtenorganisationen im digitalen Kontext an. Der Beitrag konzipiert Nachrichtenorganisationen als hybride Organisationen, die sich widersprüchlichen institutionellen Logiken verschrieben haben. Dabei lösen manche Entscheidungen – wie das Posten von Nachrichten im Clickbait-Stil – ein Dilemma zwischen publizistischen Normen und ökonomischen Zielen aus, das zunächst innerhalb der Organisation ausgehandelt werden muss. Werden kommerzielle Logiken vor dem Hintergrund von Kurationsalgorithmen sozialer Plattformen priorisiert, nutzen auch traditionelle Nachrichtenmedien Clickbait-Überschriften und weichen damit von professionellen Normen ab. Spieltheoretische Ansätze beschreiben, mittels welcher Spielstrategien Nachrichtenmedien abweichende Inhalte auf digitalen Plattformen anbieten.
Boczek, Karin; Hase, Valerie*
*beide Autorinnen haben gleichermaßen zu diesem Beitrag beigetragen
Die automatisierte Inhaltsanalyse wird auch in der Journalismusforschung zunehmend genutzt, um Texte (teil)-automatisiert zu analysieren. Sie hat damit zu einer Methodeninnovation im Fach beigetragen, die jedoch selten kritisch diskutiert wird. Der Beitrag gibt einen Überblick über Chancen und Grenzen der automatisierten Inhaltsanalyse in Forschung und Lehre. Er argumentiert für die Vereinbarkeit der Methode mit klassischen Journalismustheorien, weist aber auch auf Grenzen, etwa fehlende Analysetiefe oder mangelnde Validität, hin. Auch für die Vermittlung von Computational Methods werden Probleme offengelegt und Lösungsansätze auf organisatorischer, technischer und didaktischer Ebene diskutiert. Insgesamt bedeutet die automatisierte Inhaltsanalyse für die Journalismusforschung keine Neujustierung, sondern eine Erweiterung – sofern Grenzen der Methode beachtet werden. Anders sieht es bei der Lehre aus, wo eine verstärkte Vermittlung von Computational Methods gefordert wird.
Marlis Prinzing, Sebastian Pranz
Das Verhältnis zwischen journalistischen Medien und international agierenden Intermediären, ist zu einer Schlüsselfrage gesellschaftlicher Öffentlichkeiten geworden. Plattformdienste, die Aufmerksamkeit durch Aggregieren, Auswählen und Präsentieren von Inhalten generieren, tragen wesentlich zur Meinungsbildung der Gesellschaft und zur öffentlichen Kommunikation bei. Medienorganisationen sind zunehmend gefordert, publizistische und ökonomische Entscheidungen auch im Lichte einer eigenen Plattformstrategie abzuwägen: Plattformdienste versprechen eine größere Reichweite, Publizität und Leser*innennähe, bringen aber insbesondere Zeitungshäuser in eine strukturelle Abhängigkeit und zwingen sie dazu, Kontrollverluste einzukalkulieren, etwa über die Daten ihrer eigenen Zielgruppen. Der Beitrag reflektiert die internationale Forschung über Plattformdienste und fragt nach deren spezifischen Leistungen für den Journalismus. Vor diesem Hintergrund werden fünf journalistische Unternehmer*innen befragt, die in den letzten Jahren alternative Medienprojekte im deutschsprachigen Markt initiiert haben, sowie zwei Experten aus dem Feld der Medienpolitik. Die explorative Untersuchung zeigt, dass diese Neugründungen im Kontext einer plattformisierten Medienlandschaft auf maximale Unabhängigkeit von globalen Plattformdiensten setzen und die von diesen offerierten infrastrukturellen Vorteile bewusst gegen die deliberative Leistungsfähigkeit ihres eigenen Mediums abwägen.
Anna-Lena Wagner, Wiebke Möhring
Der theoretische Beitrag richtet seinen Fokus auf freie Mitarbeiter*innen im Lokalen in Tageszeitungen und ihren Onlineablegern. Die Akteure, die schon seit Jahrzehnten eine relevante Größe im Lokaljournalismus darstellen, haben in der Kommunikationswissenschaft bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren. Der Beitrag liefert in zweifacher Hinsicht Anknüpfungspunkte für eine Neujustierung der Journalismusforschung: Er wählt erstens auf Akteursebene eine Definition freier Mitarbeiter*innen im Journalismus, die über bestehende Berufsfeldstudien hinausgeht. Zweitens präsentiert der Beitrag ein – in der vorgestellten Breite – neues theoretisches Modell, das die sozialintegrativen Theorien der Akteur-Struktur-Dynamiken und der Strukturationstheorie verbindet. Der Aufsatz verdeutlicht anhand konkreter Fragestellungen, dass erst eine Kombination beider Theorien dem Forschungsgegenstand und seinen vielfältigen Perspektiven gerecht werden kann sowie großes Potenzial für Arbeiten in der akteurstheoretischen Journalismusforschung bietet.
Margreth Lünenborg, Christoph Raetzsch, Wolfgang Reißmann, Miriam Siemon
Öffentliche Diskurse sind nicht mehr allein durch journalistische, sondern durch vielfältige soziale Akteur*innen geprägt, die dem Journalismus in seiner Deutungshoheit Konkurrenz machen. Um diese Herausforderung an Journalismus und den Umgang damit zu erfassen, eignet sich ein praxistheoretischer Ansatz. Der Fokus auf Praktiken als individuelle und akteur*innenübergreifende Handlungsroutinen, die soziale Strukturen hervorbringen (oder verändern), soll die komplementäre Anpassung nichtinstitutioneller und professioneller Akteur*innen in einem öffentlichen Sinngebungs- und Aushandlungsprozess nachvollziehbar machen. Neben der theoretischen Einordnung des Ansatzes „performativer Öffentlichkeiten“ für die Journalismusforschung, wird mit dem Analyserahmen „Media Practice“ ein Vorschlag zur Operationalisierung entwickelt. Um die Performativität von Öffentlichkeiten sowie die Annahme unterschiedlicher Sprecher*innenpositionen und das Übertreten verschiedener Ebenen von Öffentlichkeit (Layers of Publicness) in vorwiegend digitalen und vernetzten Umgebungen nachzuvollziehen, wird auf ein mixed-methods Design von (halb-)automatisierten Analysen und ethnografischen Methoden gesetzt, mit dem verschiedene Elemente der Praxis (Elements of Practice) und deren Brüche sowie Verknüpfungen rekonstruiert werden.
Rosanna Planer, Alexander Godulla, Cornelia Wolf
Digitale Langformen sind aufwendig produzierte Multimedia-Stories, die ihre User*innen über eine komplexe Thematik informieren und dabei verschiedene Perspektiven einbeziehen. Für Medienhäuuser stellen diese Stories eine Chance zur Prestigesteigerung dar, doch müssen dafür überdurchschnittlich viele personelle, zeitliche sowie monetäre Ressourcen aufgewandt werden. Im Hinblick auf eine normative Legitimierung digitaler Langformen untersucht dieses Paper drei Argumente für deren Produktion: Für Digitalen Journalismus (I) stellen Langformen eine Möglichkeit zum Ausdruck von Qualität im digitalen Bereich und zum Erfüllen der demokratischen Funktion dar; für Journalist*innen (II) beinhalten sie die Chance, neue Produktionsroutinen und Kollaborationen zu etablieren; und dem Publikum (III) ermöglichen digitale Langformen, sich fundiert und mitunter immersiv über Themen zu informieren und einen Wissenszuwachs zu erlangen. Mögliche Gegenargumente und Bedenken werden ebenfalls adressiert.
Bernadette Uth, Bernd Blöbaum, Laura Badura, Katherine M. Engelke
Interdisziplinarität hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen und wird häufig als Zielvorstellung wissenschaftlicher Forschung und Projekte definiert. Unklarheit besteht allerdings dahingehend, wie Interdisziplinarität definiert wird und welche Faktoren es in der Umsetzung von interdisziplinären Kooperationen zu beachten gibt. Die Journalismusforschung ist in hohem Maße für interdisziplinäre Projekte geeignet und bietet diverse Ansatzpunkte für die Kooperation mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Richtig organisiert kann die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen vielfältige Chancen für die Journalismusforschung bieten – sie bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich, die es zu bewältigen gilt. Im Rahmen dieses Beitrags werden die Chancen und Herausforderungen interdisziplinärer Kooperationen in und für die Journalismusforschung auf Basis der in einem seit ca. 2010 laufenden Forschungsprogramm gemachten Erfahrungen reflektiert und kritisch diskutiert.