Es geht längst um mehr, nämlich um die Kommunikationsfreiheit

Als verantwortlichem Redakteur der "Publizistik" haben sich mir die Haare gesträubt, als ich den Offenen Brief an den Vorstand der DGPuK zum ersten Mal sah. Hier wird in einem erschreckend selbstgerechten Ton von "redaktionellem Versagen" gesprochen, Ethik und Moral eingefordert und die "Kultur wissenschaftlicher Zusammenarbeit" beschworen. Gleichzeitig sucht man aber diese Zusammenarbeit mit Herausgebern und Redaktion der "Publizistik" überhaupt nicht, sondern greift lieber zum Mittel der moralischen Aburteilung. Ein Brief an die "Publizistik" wäre doch der erste, von Kollegialität und eigentlich auch von purem Anstand gebotene Schritt gewesen, oder?

Leider wurde auch das Angebot, in der Zeitschrift auf Stöbers Beitrag zu antworten, von angesprochenen Kolleginnen und Kollegen ausgeschlagen.

Ist das die eingeforderte Kultur des Diskurses?

Und darum geht es jetzt in der Tat, nicht um Gendersternchen. Über geschlechtergerechte Formulierungen und die Art, wie sich Rudolf Stöber damit auseinandergesetzt hat, kann und muss man streiten, keine Frage. Aber die Autorinnen und Autoren des Offenen Briefes suchen ihrerseits überhaupt keine Auseinandersetzung mit dem Thema. Sie suchen auch keine Auseinandersetzung mit der "Publizistik". Sie suchen und erbitten mit dem Gestus der Empörung Sanktionen "von oben".

Der Beitrag von Stöber stand in der Rubrik "Forum". Haben das die Urheberinnen und Urheber des Offenen Briefes überhaupt zur Kenntnis genommen? Ein Forum ist der Platz, wo Meinungen öffentlich augehandelt werden. Ein Forum ist der Platz, wo absolute Kommunikationsfreiheit herrschen sollte. Kommunikationsfreiheit ist nicht nur eine Grundvoraussetzung für Journalismus, sondern auch für Wissenschaft. Das wissen wir alle, das lehren wir alle, Tag für Tag.

Deshalb bin ich entsetzt, wie viele Kolleginnen und Kollegen aus einem Fach, das sich Kommunikationswissenschaft nennt, den Offenen Brief unterzeichnet haben.

Gunter Reus

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Ob der Vorstand der DGPuK tatsächlich die beste Adresse für den offenen Brief sei, lasse ich dahingestellt. Jedoch zeigt die Wahl der Adressaten, wie sehr wir - die Mitglieder der DGPuK - die Publizistik als "unsere" Zeitschrift begreifen. Nicht im Sinne von Besitzverhältnissen, sondern im Sinne emotionaler und langjährig gewachsener Verbundenheit. Wenn in einem Beitrag dieser Fachzeitschrift dann plötzlich ohne Not Nazi- und Faschismus-Vergleiche auftauchen, sollte das (womöglich kalkulierte) Entsetzen der Fachgemeinschaft eigentlich niemanden zum Staunen bringen. Nun gut, die Nazi-Vergleich sind eines Medienforschenden würdig so formuliert, dass man dem Autor keinen Strick daraus drehen kann. Doch nur weil Prof. Stöber seine Worte weise wählt, ändert es nichts an den Worten.

Die sachlichen Argumente des Beitrags von Prof. Stöber lassen sich relativ kompakt zusammenfassen: Es gibt eine Regelwerk der deutschen Rechtschreibung, und das Gendersternchen ist dort nicht vorgesehen. Ja, ich selbst bin ein Freund der akkuraten Rechtschreibung - immerhin wurde mir das schon in der Grundschule akkurat vermittelt, und "die Deutschen" genießen weltweit einen gewissen Ruf, was Regeln und Gesetze angeht. Doch bei aller Liebe zur Rechtschreibung: Der Beitrag bietet genug Grund, sich zu empören. Wenn dies wiederum Ihr Entsetzen zur Folge hat, dann unterstreicht diese Konstellation, dass der Beitrag keine geeignete Basis für einen sachliche Diskussion bietet.