KI und Ausbildung: Zwischen Lehrbuch und Chatbot

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Anna Sophie Kümpel, LMU München

Die kommunikationswissenschaftliche akademische Ausbildung ist schon heute spürbar durch die Nutzung von KI-Anwendungen geprägt. Mehr als 90 % der in einer aktuellen Studie befragten Studierenden nutzen sie im Studium (von Garrel & Mayer, 2025) – vor allem, um Verständnisfragen und Fachbegriffe zu klären. Dass die meisten Studierenden basale Kompetenzen mit Unterstützung durch KI-Assistenten erwerben, ist also bereits Realität. Und dies ist erst der Anfang: Bald könnten zahlreiche Leistungen vollständig von KI-Agenten erbracht werden. Doch wo bleiben dabei die Dozierenden? 

Viele Grundlagen unserer Disziplin – von Literatursystematisierung über Statistik-Basics bis zu Methoden – lassen sich mit KI-Anwendungen zielgerichteter und zugänglicher vermitteln. Das klassische Modell «Dozent:in erklärt – Studierende üben – Dozent:in korrigiert» wandelt sich zunehmend zum KI-gestützten Co-Learning. Der Mensch bleibt im redensartlichen «Loop», aber nicht mehr an jeder Stelle: Er validiert, kontextualisiert, bewertet. Die operative Vermittlung einfacher Fertigkeiten könnte künftig von universitär zertifizierten Assistenzsystemen übernommen werden, die damit auch die Lehrenden entlasten. 

Was hat das für Konsequenzen? Erstens verschiebt sich die Wertschöpfung der Lehre: Die Vermittlung reiner Routinekompetenzen verliert an Relevanz, während Meta-Kompetenzen ins Zentrum rücken, also kritische Reflexion, Transferfähigkeit, ethische Urteilskraft. Zweitens verändert sich die Prüfungslogik: Wenn KI-Anwendungen jederzeit verfügbar sind, müssen Lehr- und Lernkontrollen stärker prozess- und problemorientiert gestaltet werden. Und drittens entstehen neue Rollenbilder für Lehrende: Sie sind nicht mehr nur Wissensvermittler:innen, sondern Coaches, Kurator:innen und Qualitätsprüfer: innen von KI-gestütztem Lernen – etwa, wenn sie von KI-Agenten erstellte Analysen gemeinsam mit Studierenden evaluieren und weiterentwickeln. 

Die Bewertung dieser Entwicklungen ist ambivalent. KI-Anwendungen können helfen, Lernerfahrungen zu personalisieren, lebensweltlich anschlussfähig zu machen und Studierende zu selbstgesteuertem Arbeiten zu befähigen. Zugleich kann die Entwicklung dazu führen, dass wir verlernen, basale Fähigkeiten ohne KI zu erwerben (und zu vermitteln!). Die Gefahr einer «Kompetenzillusion» droht – insbesondere, wenn KI-Output nicht gemeinsam geprüft und eingeordnet wird. 

Nun könnte man all dies einfach auf sich zukommen lassen oder hoffen, dass sich schon nicht allzu viel ändern wird. Zielführender ist, schon jetzt konkreten Handlungsbedarf zu identifizieren. KMW-Institute sollten im Rahmen genereller universitärer Regelungen klare Qualifikationsziele für den Umgang mit KI-Anwendungen entwickeln – nicht nur technische Bedienung und «Prompt-Engineering», sondern auch kritische Bewertung und ethische Reflexion. Curricula sollten den Einsatz von KI explizit vorsehen, etwa in Seminaren, bei denen Studierende Ergebnisse von KI-Anwendungen eigenen Analysen gegenüberstellen. Prüfungsformate müssen reformiert werden: weg von Reproduktion des Stoffes hin zu Anwendungs-, Transfer- und Evaluationsaufgaben. Und schließlich stehen auch die Hochschulen in der Pflicht, Lehrende fortzubilden und eine offene und kritische Diskussionskultur über die Nutzung von KI in der akademischen Ausbildung zu fördern. Die Kommunikationswissenschaft könnte hier zur Vorreiterin werden – getragen von jenen, die sich frühzeitig auf KI eingelassen und ihr Potenzial erkannt haben.

Referenzen:
von Garrel, J., & Mayer, J. (2025). Künstliche Intelligenz im Studium – Eine quantitative Längsschnittstudie zur Nutzung KI-basierter Tools durch Studierende [Preprint]. https://doi.org/10.48444/h_docs-pub-533.