Chancen inter- und transdisziplinärer ­Forschungskollaborationen

 

 

 

Von Constanze Rossmann, Ludwig-Maximilians-Universität München

Laut dem Selbstverständnispapier der DGPuK versteht sich die Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen, die Grundlagenforschung zu den Bedingungen, Folgen und Bedeutungen von Kommunikation betreibt und zur Lösung von Problemen der Kommunikationspraxis beiträgt. Inter- und Transdisziplinarität (verstanden als Praxistransfer) sind somit inhärente Bestandteile unserer wissenschaftlichen Arbeit. Durch meinen Schwerpunkt in der Gesundheitskommunikationsforschung erlebe ich die Relevanz inter- und transdisziplinärer Forschung besonders deutlich. Die Gesundheitskommunikation vereinigt nicht nur Fragestellungen der Gesundheitswissenschaften und Kommunikationswissenschaft, sondern wird auch von Wissenschaftler:innen aus Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Linguistik und vielen anderen Disziplinen beforscht.

Nun ist es nicht per se verkehrt, wenn Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen Phänomene getrennt beforschen und so ihren Fachbeitrag zur Erklärung leisten (Multidisziplinarität). Dies hat auf individueller Ebene zweifelsohne Vorteile. Gleichwohl birgt multidisziplinäre Forschung die Gefahr, dass die Erkenntnisse anderer Disziplinen nicht wahrgenommen werden, etwa wenn sich für identische Phänomene unterschiedliche Begrifflichkeiten etablieren.

Interdisziplinäre Forschungskollaborationen, etwa in DFG-Forschungsgruppen, BMBF-Verbünden oder EU-Konsortien, können diese Gefahr minimieren. Dies ermöglicht es, sich durch unterschiedliche Erfahrungen, Theorien und Herangehensweisen theoretisch und methodisch zu befruchten und durch Integration der unterschiedlichen Perspektiven zu einem Erkenntnisfortschritt beizutragen. Auch Kollaborationen mit Stakeholdern aus der Praxis (im Gesundheitsbereich etwa das Robert Koch-Institut, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Krankenkassen oder Krankenhäuser) können Projektvorhaben sinnvoll ergänzen, indem sie Zugänge zu Stichproben (z. B. Patient:innen, Ärzt:innen), Datensätzen (z. B. Impfquoten, Abrechnungsdaten) und Infrastrukturen (z. B. Schulen, Betriebe) erleichtern, den Blick für gesellschaftliche Problemstellungen schärfen und die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis fördern.

Inter- und transdisziplinäre Projektverbünde sind auch mit Herausforderungen verknüpft. Unterschiedliche wissenschaftliche Traditionen bringen fachspezifische Vokabularien mit sich, weshalb interdisziplinäre Kollaborationen häufig Übersetzungsleistungen und eine Einigung auf gemeinsame Begrifflichkeiten erfordern. Dies äußert sich auch darin, dass andere Disziplinen zum Teil ein diffuses Bild von Kommunikationswissenschaft haben, weshalb es oft zunächst darum geht, die eigene Rolle und Expertise zu vermitteln. Beides kann mühsam sein. Gelingt es jedoch, die Mitglieder einer Gruppe gut zu koordinieren, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln und (nebenbei) die Relevanz der Kommunikationswissenschaft zu vermitteln, ist damit viel gewonnen. Bei Kollaborationen mit der Praxis hat man es darüber hinaus mit der Herausforderung zu tun, sich nicht zur Service-Forschung degradieren zu lassen, sondern wissenschaftlich relevante Fragestellungen zu beantworten. Gelingt dies, so kann der Zugang zur Praxis einen erheblichen Mehrwert liefern, der nicht nur die externe Validität unserer Befunde schärft, sondern auch die Türen des wissenschaftlichen Elfenbeinturms öffnet.

Trotz der Relevanz von Inter- und Transdisziplinarität sollten wir nicht den Blick dafür verlieren, dass die Kommunikationswissenschaft selbst von einer hohen Interdisziplinarität geprägt ist, etwa wenn wir an psychologische und soziologische Perspektiven und Ausdifferenzierungen wie Journalismus-, Public Relations- und Rezeptionsforschung denken. Bisweilen kann es daher sinnvoller sein, fachinterne Kollaborationen anzustreben, anstatt die Fühler zu schnell in andere Fächer auszustrecken. So können die Herausforderungen von Kollaborationen minimiert und deren Chancen genutzt werden, um langfristig das Selbstbewusstsein der Kommunikationswissenschaft als relevantes inter- und transdisziplinäres Fach nach innen und außen zu stärken und sichtbar zu machen.