Forschungskollaborationen oder das Abenteuer wissenschaftlicher Gruppenreisen


 


 

Von Thorsten Quandt, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Von Universitäten werden sie zunehmend gefordert, von der DFG, dem BMBF, der EU und anderen Geldgebern werden sie mit großen Summen gefördert, und von vielen Wissenschaftler:innen werden sie gleichermaßen geliebt wie gefürchtet: Forschungskollaborationen. Manche Förderprogramme umweht im Fach ein Hauch des Mystischen, sie werden zum Teil als quasi unerreichbar verklärt, zum Teil werden solche Projekte aber auch als Monstren verdammt, die für ihre Leitungen nur Qualen und Pein bereithalten.

Viele dieser Einschätzungen basieren aber gar nicht auf eigenen Erfahrungen – denn die deutsche Kommunikationswissenschaft ist in den letzten Jahren nicht besonders erfolgreich im Einwerben großer kollaborativer Projekte gewesen. Ein ärgerlicher Umstand, der auch durch die von Gerhard Vowe vorangetriebenen Erkundungen belegt wird. Der kollektive Mangel an Primärerfahrungen innerhalb des Faches hat aber zumindest eine positive Seite: Viele der negativen Aussagen über Kooperationsprojekte basieren damit nachweislich auf Hörensagen oder einzelnen, traumatischen Erlebnissen, die keine breite empirische Basis haben.

Meine persönlichen Erfahrungen mit nationalen und internationalen Kollaborationsprojekten über zwei Jahrzehnte entsprechen kaum den geflüsterten Horrorgeschichten, sondern ähneln eher mehr oder weniger abenteuerlichen Verläufen wissenschaftlicher Gruppenreisen. Das taugt besser als Bild für das, was Kooperationen – im Guten wie im Schlechten – ausmacht. Und wer es etwas grandioser mag, kann auch von gemeinsamen Expeditionen sprechen.

Tatsächlich bestehen viele Parallelen. Denn wer sich auf eine Gruppenreise begibt, sollte einige Dinge vorab bedenken: Mit wem will ich auf Reisen gehen? Wie sehr vertraue ich diesen Personen und ihren Fähigkeiten? Würde ich mit diesen Personen auch ein paar Tage schlechtes Wetter an fremden Orten aushalten – und am Schluss immer noch mit ihnen eine Abschlussparty feiern wollen? Sind wir uns eigentlich über die Reiseziele, die Route, die Fortbewegungsmittel einig? Und haben wir eine gemeinsame Reisekasse oder übernimmt jede:r die eigenen Kosten?

Zudem kann man bei einer solchen Reise Neues erkunden, man erweitert seinen Horizont und ist danach um prägende Erlebnisse und Erinnerungen reicher. Genauso gilt aber auch: Wenn man ohne Planung, ohne klare Regeln und mit unbekannten Menschen loszieht, dann kann dies vielleicht ein spannendes Abenteuer werden – viel wahrscheinlicher wird es ein Desaster, und im schlimmsten Fall strandet man nach Aufbrauchen der Reisekasse im Nirgendwo.

Das Bild mag seine Grenzen haben, aber tatsächlich sind doch einige Aspekte auf Kollaborationen zu übertragen. Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich Projekte nur mit einem klaren Ziel und mit Personen angehen, bei denen es einen Konsens über das Ziel, die Vorgehensweise und die Abläufe gibt. Das mag banal klingen, aber es gibt diverse Beispiele von großen Projekten, wo genau diese Klärungen über Mittelverteilungen oder Publikationsstrategien nicht stattgefunden haben – mit erwartbaren Verwerfungen.

Ideal für Kooperationsprojekte sind Konstellationen, in denen auf wissenschaftlicher und sozialer Ebene Vorerfahrungen und ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen. Denn trotz gold-glitzernder Fördertöpfe und zu Anträgen drängender Uni-Leitungen muss man sich klar machen, dass Kollaborationsprojekte wissenschaftliche und soziale Bindungen über Jahre mit sich bringen – was bei einem funktionierenden Konsortium ein Segen, bei einem sich zerstreitenden ein Fluch sein kann. Und manche Projekte bestehen tatsächlich länger als die Zwänge, unter denen sie ursprünglich entstanden sind.

Folgt man diesen eigentlich simplen Regeln, so können Kollaborationen fantastische Möglichkeiten bieten, die man als wissenschaftlicher Alleinreisender nicht hat. Und das eine oder andere Mal findet man tatsächlich Kolleg:innen, mit denen man immer wieder eine Expedition unternehmen möchte – weil das gemeinsame Reisen einfach Spaß macht.