Freie Lizenzen als Investition in die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien

Von Leonhard Dobusch, Universität Innsbruck und Momentum Institut, Wien

 

 

 

Angesichts eines Überflusses an Medienangeboten im Internet ist die Legitimation von beitragsfinanzierten, öffentlich-rechtlichen Medien gleich in mehrfacher Hinsicht unter Druck. Traditionelle Begründungen für deren Notwendigkeit wie begrenzte Bandbreiten oder Sendeplätze sind inzwischen endgültig Geschichte. Das vermeintliche Überangebot von Inhalten im Netz verleiht deshalb alten Bestrebungen auftrieb, öffentlich-rechtliche Medien auf „Kernbereiche“ wie Information und (Hoch-)Kultur zusammenzustutzen. 

Aber selbst jene, die den Mehrwert von demokratisch beauftragten und solidarisch finanzierten Medien gerade im ­Zeitalter dominanter kommerzieller Platt­formen (an) ­erkennen, blicken bisweilen mit ­Skepsis auf ­öffentlich-rechtliche Digitalangebote. ­Hermann Rotermund ­kritisierte beispielsweise, dass sich die öffentlich-­rechtlichen Media­theken zu stark an Streaming-­Portalen wie Netflix orientieren. Stattdessen forderte er in einem epd-Gastbeitrag, dass ARD, ZDF und Co. sich am „Modell YouTube” orientieren, wo „[durch] ­Kommentare und Uploads eigener Videos von Nutzern eine hierarchiefreie Atmosphäre [entsteht], die mit den technischen ­Möglichkeiten und den ­Erwartungen des ­Publikums übereinstimmt.”

Aber selbst wenn die Öffentlich-Rechtlichen ihre Mediatheken interaktiver gestalten und für Nutzer:inneninhalte öffnen, verglichen mit den großen kommerziellen Plattformen werden die Mediatheken immer Nischenangebote bleiben. Wichtige, idealerweise mittels demokratischer Algorithmen strukturierte Alternativangebote sind aber sicher nicht genug, um dem öffentlich-rechtlichen Auftrag im Zeitalter digitaler Plattformöffentlichkeiten gerecht werden zu können.
Im Bereich der jugendlichen Zielgruppen haben das in Deutschland sowohl die Rund­funkpolitik als auch die öffentlich-­rechtlichen Anstalten selbst bereits vor einiger Zeit erkannt und mit dem Jugendangebot „Funk” reagiert. Das von ARD und ZDF gemeinsam betriebene Angebot verzichtet auf einen linearen Sender und fokussiert fast ausschließlich die Verbreitung über sogenannte „Drittplatt­formen”. ­Dieser Ansatz, öffentlich-rechtliche Inhalte über die großen kommerziellen Platt­formen wie ­Facebook, ­Insta­gram oder TikTok auszuspielen, ist allerdings auch nicht ohne Tücken. Zwar werden so neue und jüngere Zielgruppen mit öffentlich-rechtlichen Inhalten erreicht, gleichzeitig unterwirft man sich völlig der profit­orientierten, primär an Reichweite und Verweildauer ausgerichteten Strukturierung dieser Plattformen – Emotionalisierung und Polarisierung über ­fragwürdige Empfehlungs­algorithmen inklusive.

Während ARD und ZDF auch jenseits von Funk zunehmend die großen kommerziellen Platt­formen mit ihren Inhalten ­bespielen, bleibt eine weitere Drittplattform bislang noch ­weit­gehend außen vor: die gemein­nützige Online-­Enzyklopädie Wikipedia und ihre Schwester­projekte. ­Wikipedia und Co. sind ­nämlich ebenfalls und besonders in jüngeren Ziel­gruppen reich­weitenstark, gleichzeitig aber viel kompatibler mit einem öffentlich-recht­lichem Auftrag und Anspruch. Angesichts ­dessen stellt sich natürlich die Frage, warum die Öffentlich-Rechtlichen nicht mit ihren Inhalten auf dieser Plattform ­präsent sind, während sie gleichzeitig ihre Inhalte auf die kommerziellen Plattformen wie YouTube bereitstellen? Gerade weil eine wesentliche Legitimitätsgrundlage für öffentlich-rechtliche Medien im Digitalzeitalter ihre Finanzierung und Orientierung jenseits von Profitlogiken ist. 

Umso erfreulicher ist es, dass das ZDF vor einiger Zeit damit begonnen hat, Videoclips ihrer Dokureihe „Terra X” unter freien, Wikipedia-­kompatiblen Lizenzen zu veröffentlichen. Die Bandbreite reicht von kurzen Erklärstücken bis zu aufwändigen 3D-Rekonstruktionen historischer Gebäude und Städte. Inzwischen sind die Videos in zahlreichen Wikipedia-Artikeln eingebettet und werden alleine dort über eine Million Mal im Monat abgerufen. Diesen Weg gilt es weiterzugehen. Auch wenn freie, Wikipedia-kompatible Lizenzen mit höheren Aufwänden verbunden sein mögen, es ist mit ihnen eine Investition in den Gemeingutcharakter öffentlich-rechtlicher Medien verbunden – und stärkt so deren Reichweite und Legitimation gleichermaßen.